Iris Apfel – Mode-Ikone wider Erwarten

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Mode kann man kaufen. Stil muß man haben.

Edna Woolman Chase

Iris Apfel hatte es nie geplant und dennoch ist sie es geworden: ein Model, eine Mode-Ikone und das im Alter von über 90 Jahren! Nach der Eröffnung von Rara Avis am Costume Institute des Metropolitan Museum of Art wurde Iris Apfel immer wieder erzählt, dass sie über Nacht Furore gemacht hätte und sie entgegnete dann: „Sie haben recht, nur dass mein ´über Nacht´70 Jahre gedauert hat!“

Wenn man jedoch auf ihre Kindheit zurückblickt, kann man erkennen, das die Saat für diese Entwicklung schon sehr früh angelegt wurde, auch wenn damals sicher noch niemand ahnte, wo diese hinführen würde. Aber letztendlich ist das gesamte Leben von Iris Apfel nur eine  stetige sehr konsequente Metamorphose ihres beruflichen Werdegangs, und die Tatsache, dass sie trotz ihres hohen Alters noch ein Model, ja eine Mode-Ikone wurde, stellt sozusagen die Krönung ihres langen Lebens dar!

Wie alles begann…

Der Beginn ihrer Leidenschaft für Stoffe liegt in der frühen Kindheit. Iris war ein Einzelkind und viele Jahre auch das einzige Enkelkind auf beiden Seiten der Familie. So war das kleine Mädchen bei Familienfeiern meist allein unter Erwachsenen. Bei den Familienfeiern oder sonstigen geselligen Zusammenkünften stand sie in den ersten fünfzehn Minuten meist im Mittelpunkt und stand dann, wenn die Erwachsenen sich zurückgezogen hatten, ziemlich verloren da. Das brachte ihre Großmutter väterlicherseits auf eine Idee, die für die kleine Iris richtungsweisend werden sollte. Sie nahm die Kleine mit in ein Zimmer mit zwei riesigen Schränken, die sie, nachdem die Kleine sich auf den Boden gesetzt hatte, öffnete: einige riesige weiße Säcke purzelten heraus: sie öffnete sie und der Inhalt der Säcke ließ Iris´ Herz höher schlagen: ein riesiger Haufen Stoffreste in allen erdenklichen Farben und Mustern, Formen und Größen. Bei jedem Besuch durfte sie von nun an damit spielen und immer sechs Stücke mit nach Hause nehmen. Iris versuchte sich an vielen Kombinationen und beschäftigte sich ganze Abende lang mit Strukturen, Farben und Mustern. Im Rückblick erkannte Iris, dass sie damals bereits ihr Auge trainiert und ihr tiefes Interesse für Stoffe entwickelt hat.

Accessoires, Accessoires…

Ihre Liebe zu Accessoires hat Iris Apfel von ihrer Mutter übernommen und sie sozusagen exzessiv ausgelebt, manchen Menschen vielleicht zu extrem, aber die Meinung anderer interessiert Iris Apfel in diesem Zusammenhang nicht allzu sehr.

Ihre Mutter hatte ihr beigebracht, dass es genüge in einige wenige, aber gut gemachte Klassiker zu investieren, zum Beispiel in das kleine Schwarze, und dann sein Geld in Accessoires anzulegen, denn dann habe man Millionen verschiedene Outfits. Gewissermassen sind die vielfältigen Accessoires ja auch zu einem der Markenzeichen von Iris Apfel geworden.

…damit ich dich besser sehen kann…

Schon in ihrer Kindheit war Iris Apfel fasziniert von Flohmärkten, und aus einem ihr selber unerklärlichen Grund begeisterten sie seit jeher ungewöhnliche Brillengestelle. Immer, wenn sie ein einzigartiges Modell sah, kaufte sie es und verstaute es in einem alten Schuhkarton ihrer Mutter im Wandschrank. Ab und zu nahm sie sie heraus und probierte sie mit großem Vergnügen! Damals brauchte sie noch keine Brille und trug die Gestelle, wenn sie Lust dazu hatte deshalb einfach ohne Gläser, weil sie für sie so großartige Accessoires darstellten. Viele Jahre später, als sie wirklich eine Brille benötigte, dachte sie sich: wenn ich schon eine Brille brauche, dann kann es auch ruhig eine grosse sein. So nahm sie die größte, die sie in der Kiste finden konnte und ließ sich Brillengläser einbauen.

Die grosse lebenslange Liebe…

Viele Menschen träumen von der großen, lebenslangen Liebe, nur wenigen Menschen ist sie vergönnt. Iris Apfel führte mit Carl Apfel eine 66 Jahre währende glückliche Ehe, die für sie zum einen die private Erfüllung bedeutete, aber ohne sie wäre auch ihr beruflicher Erfolg kaum denkbar.

Kennengelernt hatten sie sich eigentlich ganz unspektakulär: Carl hatte Iris vom Bus aus vor der Auslage eines Geschäftes stehen sehen, war sehr beeindruckt von ihrem Outfit und hat sie dann noch am gleichen Abend angerufen. Vom ersten Date bis zur Hochzeit vergingen gerade einmal fünf Monate.

Iris widerstrebte es, allzu viel Geld für ein Brautkleid auszugeben, das man nur einmal im Leben trägt und dann in einem Karton aufhebt. Sie hatte das Brautkleid skizziert, eine Bekannte ihrer Mutter, die Schneiderin war, nähte es.

Die Hochzeit fand mit 120 Gästen im Waldorf Astoria in New York statt. Und alles war rosa gestaltet, denn schließlich sollte sich die Deko nicht mit dem Kleid beißen.

Iris Apfel wird oft gefragt, was die Geheimnisse einer langen glücklichen Ehe sind, die sie zwar auch nicht kennt, aber mit so einigen Tipps und Ideen aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung kann sie jedoch aufwarten:

  • Respektieren Sie einander
  • Erhalten Sie sich in guten als auch in schlechten Zeiten Ihren Humor.
  • Hocken Sie nicht immer aufeinander, sondern geben Sie einander Raum.
  • Geben Sie Ihre Persönlichkeit nicht auf und akzeptieren Sie Ihren Partner so wie er ist.
  • Bemühen Sie sich, nicht kleinlich zu sein und nerven Sie Ihren Partner nicht mit der berüchtigten Erbsenzählerei.
  • Unternehmen Sie Dinge gemeinsam und bewahren Sie sich den Sinn fürs Abenteuer.
  • Akzeptieren Sie, dass Sie nicht immer die gleichen Leute und Dinge mögen.
  • Unternehmen Sie Dinge auch allein, die Ihr Partner nicht mag – aber tun Sie auch etwas Ihrem Partner zuliebe.
  • Neue gemeinsame Interessen bringen frischen Wind in eine Beziehung, deshalb seien Sie kreativ.
  • Mehr oder weniger auf einer Wellenlänge zu sein hilft sehr, aber akzeptieren Sie auch, wenn Sie nicht immer einer Meinung sind.

Beruflicher Werdegang

Nach dem Besuch des Colleges studierte Iris Apfel Kunstgeschichte an der New York University und besuchte später die Kunstakademie der University of Wisconsin. Zwischenzeitlich arbeitete sie für Women´s Wear Daily, den Innendesigner Elinor Johnson sowie für den Illustrator Robert Goodman. Mit ihrem späteren Ehemann Carl Apfel (1914-2015) gründete sie 1950 das berühmte Textilunternehmen Old World Weavers und war in diesem bis zu ihrer Pensionierung tätig. Dieses Unternehmen war so erfolgreich, dass Iris Apfel sogar das Weiße Haus in Washington einrichtete. Mehr geht nicht in Amerika!

Die Ausstellung Rara Avis im Metropolitan Museum im Jahr 2005 war die erste Ausstellung über Mode und Accessoires, die das Museum einer noch lebenden Person widmete, die keine Modedesignerin ist. Die Ausstellung wurde ein sensationeller Erfolg.

Darüberhinaus wurde sie durch ihre Auftritte im Internet und Fernsehen bekannt, vor allem durch die Dokumentation Iris von Albert Maysles aus dem Jahr 2014.

Iris Apfel schloss im Februar 2019 im Alter von 97 Jahren bei der Modelagentur IMG einen Vertrag als Model ab.

Im Grunde genommen hat Iris Apfel ein Leben daran gearbeitet, einmal mit ihrem Stil berühmt zu werden, was ihr auch gelungen ist.

Im Weißen Haus

Als Carl und Iris Apfel in den Jahren 1950-1992 Old World Weavers betrieben, waren sie an vielen Restaurationsprojekten beteiligt, unter anderem auch im Weißen Haus. Sie arbeiteten für neun Präsidentschaftsverwaltungen, von Harry Truman bis zu Bill Clinton. Ein Missverständnis, das immer wieder kursiert, ist, dass sie das Weiße Haus renoviert hätten, aber das stimmt nicht, denn am Gebäude und seiner Einrichtung dürfen nur historisch korrekte Restaurationen vorgenommen werden – so lautet die Regel. Zudem arbeiteten Carl und Iris Apfel für die U.S. Kommission of Fine Arts, eine Kunstkommision, die die antiken Stoffe möglichst originalgetreu wieder herstellt.

In der zweiten Etage, in den Privaträumen der Präsidentenfamilien, arbeiteten die Apfels auch und da gab es keine Regeln. Dort durfte alles im eigenen Geschmack eingerichtet werden. Zudem waren die meisten Präsidenten und ihre Gattinnen, mit Ausnahme von Pat Nixon, an den Fragen der Neueinrichtung oder Renovierung ohnehin nicht sonderlich interessiert.

Sie fungierte über neun Präsidentschaften als Beraterin für das Weiße Haus und produzierte Stoffe, die bis heute im Gold Room zu sehen sind.

…eine Jeans muß es sein, unbedingt!…

Iris Apfel gehörte zu den ersten Frauen, die Jeans getragen haben. Als sie 1949 in Wisconsin am College war, konnten Frauen nicht, so wie es heute üblich ist, Jeans kaufen. Jeans waren zu dieser Zeit kein Modeartikel, sondern wurden nur in Geschäften für Arbeitsbekleidung angeboten und ausschließlich in riesigen Männergrößen.

Aber wie so oft ließ sich Iris Apfel in ihrem Vorhaben nicht beirren und nach vielen Versuchen gelang es ihr, dass ein Verkäufer ihr eine Jungen-Jeans bestellte: Iris war außer sich vor Freude und trägt seitdem ihre geliebten Jeans in den vielfältigsten Kombinationen.

…die älteste Influencerin der Welt…

Mit 99 Jahren ist Iris Apfel die älteste Influencerin der Welt. Mit über einer Million Klicks übertrifft sie so manchen Jugendlichen. Das Alter war für sie nie eine problematische Frage und sie hält absolut nichts vom Jugendwahn unserer Zeit: Schönheitsoperationen, Liftings und dergleichen können den Menschen vielleicht einige Jahre jünger aussehen lassen, aber letztlich kommt es ihrer Meinung nach langfristig auf die Ausstrahlung eines Menschen an und die ist vollkommen unabhängig vom Alter.

Sie selbst versuchte sich nie zu inszenieren oder einem Schönheitsideal zu entsprechen, was sie zu einem absolut authentischen Vorbild für Frauen jeden Alters macht. Ihre Botschaft, die sie vermitteln will, ist, dass man nicht irgendwelche Idealmaße oder die perfekte Haut haben muß um gut auszusehen, sondern einfach nur mit sich selbst im Reinen sein sollte und seinen eigenen Stil finden muß. Und dieses Gefühl gilt es dann nach außen zu transportieren.

Sie selbst ist bei einer der wichtigsten Modelagenturen der Welt unter Vertrag und dies mit über 90 Jahren!

…nicht ohne mein Smartphone?…

Der modernen Technik steht Iris Apfel nicht ablehnend, aber durchaus kritisch gegenüber. Ihrer Ansicht nach ist sie in vielen Bereichen des Lebens sehr hilfreich, aber auf der menschlichen Ebene ein absolutes Desaster, da die Menschen Computer und Smartphones vielfach als Krücke benutzen.

Dadurch sind viele Fähigkeiten verloren gegangen, die auch in der Schule nicht mehr angemessen eingefordert werden.

Iris Apfel z.B. kann im hohen Alter noch mühelos im Kopf rechnen, ebenso wie ihre Mutter, die auch über 100 Jahre alt wurde. Anfangs wurde sie noch als alte Oma belächelt, inzwischen gibt es bei vielen Familien „handyfreie“ Zeiten, manchmal sogar für einen ganzen Tag!

…Jazz forever…

Zu ihren  großen Leidenschaften gehörte bei Iris Apfel ein Leben lang der Jazz.

Schon in ihrer Jugend versäumte Iris keine Gelegenheit um diese Passion auszuleben. Im Rahmen ihres Studiums stand sie einmal vor der Aufgabe eine Arbeit über den Jazz zu schreiben, doch gab es kaum Literatur über dieses Thema. Aber wie das Leben manchmal so spielt, gab Duke Ellington in der Stadt, in der Iris damals lebte, ein Konzert. Iris suchte ihn nach dem Konzert in der Garderobe auf und hatte Glück: der Duke, ein unglaublich charmanter Mann überschüttete sie mit Jazz-Geschichten und jeder Menge Informationen. Nachdem Iris noch so manche Widerstände überwunden hatte, fuhr sie nach Chicago und traf dort alle Musiker, von denen der Duke ihr erzählt hatte und Iris konnte mit ihnen über ihre Arbeit sprechen. Das Problem war auf ungewöhnlichem Wege gelöst worden.

Karriere mit über 90 Jahren

In einem Alter, in dem andere Menschen längst im Ruhestand sind, wurde in Iris Apfels Leben noch einmal ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen, in dem viele Fäden aus ihrem Leben wieder aufgegriffen und neu miteinander verknüpft wurden.

Iris Apfels Stil ist legendär – er ist wie sie selbst ein Original, – man kann ihn weder definieren noch kopieren. Stoffe, Muster und Farben jedweder Couleur werden wild, aber nie ohne System und wohl überlegt kombiniert. Ihr Markenzeichen ist die große, schwarzumrandete Brille. Mit diesem Look wurde sie mit über 90 Jahren letztendlich zur Stilikone.

In den 50-er Jahren hatte sie mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann eine Textilhandels- und Innenausstattungsfirma aufgebaut, der so manche Zwischenstationen gefolgt waren.

Ihr später Ruhm hatte 2005 mit einer spontan organisierten Ausstellung einiger ihrer gesammelten Kleidungsstücke im Metropolitan Museum of Art begonnen, die ein riesiger Erfolg wurde und die den ungemein passenden Titel Rara Avis – seltener Vogel trug.

Mit 90 Jahren bekam sie auch ihren ersten großen Job im Beauty- und Modegeschäft, als M A C Cosmetics anfragten, ob sie an einer Limited Edition für den Winter interessiert sei. Und sie ließ sich mit großem Erfolg auf das Projekt ein.

Will man ein Resümee ziehen, so hatte sie mit 99 Jahren hatte ihr eigenes Geschäft aufgebaut, die große Liebe ihres Lebens gefunden und verloren, eigene Lippenstifte kreiert und ist zu einer der bekanntesten Mode-Ikonen der Welt geworden.

Von Iris Apfel können wir lernen, dass absolut alles möglich ist, wenn man nur hart genug dafür arbeitet.

…womit ich nie gerechnet habe…

Iris Apfel bezeichnet sich gerne als den ältesten lebenden Teenager der Welt und ist selbst oft erstaunt, welche Ereignisse im Laufe ihres langen Lebens eingetreten sind, mit denen sie nie gerechnet hatte. So hatte sie nie damit gerechnet,

  • mit über 90 Jahren Covergirl zu sein,
  • dass sie jemand Mode-Ikone nennen würde,
  • dass sich jemand ihren Namen merken oder sie wiedererkennen würde,
  • dass Museen ihre Kleidung und Accessoires ausstellen,
  • dass eine Barbie-Puppe ihre Züge trägt,
  • Menschen anzuziehen,
  • mit so vielen Preisen und Ehrungen überhäuft zu werden,
  • dass jemand eine Doku über ihr langes Leben dreht,
  • dass sie ein Buch über ihr Leben schreiben würde.

Ihr Fazit ist, dass sie nie mit irgendwas rechne.Sie habe einfach ein Bauchgefühl und richte sich danach. Um neue Dinge zu tun, müsse man unglaublich energiegeladen und stark sein. (…) Die meisten Leute würden am liebsten mit dem Strom schwimmen, das sei einfacher. Aber es ist nicht so interessant.

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Harriet von Behr
Harriet von Behr

Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.

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