Rem Koolhaas – S,M,L,XL – Visionär der architektonischen Zukunft

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Rem Koolhaas, geboren 1944 in Rotterdam, zählt zu den bedeutendsten Architekten unserer Zeit. Er gilt als eine Koryphäe in der Architekturszene und ist als Architekt, Architekturtheoretiker, Stadtplaner, Autor und Harvardprofessor tätig. Kein anderer lebender Architekt hat sein Fach, kein anderer hat die Idee wie Architektur entsteht und was sie bewirken kann so wie er geprägt  und verändert. 1975 gründete er zusammen mit Madelon Vriesendorp sowie Elia und Zoe Zenghelis das „Office for Metropolitan Architecture“ (OMA). Dort plant und realisiert Rem Koolhaas Projekte aller Größenordnungen in Europa, Amerika und Asien. Noch während seines Studiums verfasste Rem Koolhaas zahlreiche architekturtheoretische Texte, die in der Fachwelt große Anerkennung fanden. Bis zu seinem 25. Lebensjahr hatte Koolhaas ohnehin als Journalist gearbeitet, ehe er sich für ein Architekturstudium entschied, d.h. seine Schriften erschienen, ehe er auch nur ein einziges Gebäude entworfen hatte. Für seine innovativen Ideen wurde er schließlich mit der Harkness-Fellowship, einem ausgesprochen begehrten Forschungsstipendium für die USA ausgezeichnet.

Während seiner Studienzeit in den USA schrieb Koolhaas sein Erstlingswerk „Delirious New York“, das 1994 neu aufgelegt wurde. Ein Jahr später veröffentlichte er seinen Architekturroman „S, M, L, XL“, ein Manifest des Schaffens von OMA. Neben seinem vielfältigen Schaffen ist Rem Koolhaas Professor an der Harvard University, wo er mit seinen Studenten aktive Forschung im Hinblick auf zeitgenössische Städte und ihre kulturellen Aspekte betreibt. Erfolgreiche Büros wie B.I.G. oder MvRdV werden von Schülern von Rem Koolhaas geleitet.

OMA

Das OMA versteckt sich hinter einer Fassade eines 60er-Jahre-Bürokomplexes am Rotterdamer Hauptbahnhof und beschäftigt 200 Angestellte, die an Projekten wie dem Taipei Performing Arts Center, der Nationalbibliothek von Katar oder der Fondazione Prada in Mailand arbeiten. 150 weitere verteilen sich über die OMA-Niederlassungen in New York, Hongkong, Peking und Doha.

Auf vier Kontinenten baut er Hochhäuser, Brücken, Stadien, Bibliotheken und Museen – er zählt zu den einflussreichsten Architekten unserer Zeit.

Nach den Grunderfahrungen seines Lebens befragt, sagte er einmal, dass er es als Segen empfände, einer Generation anzugehören, die Hunger erlebt habe. Er ist nach dem Krieg, als Rotterdam in Schutt und Asche lag, in bitterer Armut aufgewachsen und entsprechend bescheiden sei seine kindliche Vorstellung von Luxus gewesen. Zu seinen größten Vergnügungen gehört es bis heute, ein Schwimmbad zu besuchen. Es tut ihm leid, dass seine Kinder und Enkelkinder so etwas nie erlebt hätten, da nach seiner Ansicht dadurch mentale Stärke entstehe, weil man gelernt habe sich von Überflüssigem freizuhalten: „Der Mangel an Mangel, der heute herrscht, macht Menschen zu flatterhaften, reizsüchtigen Wesen, die vor lauter Wunscherfüllungsversuchen zu nichts Substanziellem kommen.“

Rem KoolhaasCCTV

Eines der meist beachtendsten Gebäude von Rem Koolhaas ist die 237 Meter hohe Sendezentrale des chinesischen Staatsfernsehsenders CCTV in Peking, in dem 8000 Menschen arbeiten. Das zweitgrößte Bürogebäude der Welt wurde 2012 eingeweiht. Für das chinesische Staatsfernsehen zu bauen war für Rem Koolhaas eine ganz andere Herausforderung als das Bauen in Europa oder den USA.

In China müssen die Räume nicht extra dynamisch gestaltet werden, da die chinesische Gesellschaft selbst so dynamisch ist, deshalb müssen die Räume Ruhe ausstrahlen. In den USA hingegen müssen eher Anreize geschaffen werden, da diese zur Stagnation neigen – Europa liegt tendenziell dazwischen.

Medienhaus der Zukunft – Axel-Springer-Campus – Berlin

Der Neubau für das Medienunternehmen wird nach den Plänen des OMA von Rem Kohlhaas gebaut. Die Wettbewerbsjury hatte sich für diesen Entwurf entschieden – aus insgesamt 18 Vorschlägen von deutschen und internationalen Architektenbüros. In dem lichtdurchfluteten Gebäude sollen vor allem die vielfältigen digitalen Angebote von Axel Springer modernste Arbeitsplätze bekommen. Besonders beeindruckend an dem Entwurf ist das 30 Meter hohe Atrium, das sich zum bereits bestehenden Axel-Springer-Haus hin öffnet.

Der Entwurf besitzt eine große Symbolkraft, indem der Mauerverlauf diagonal durch das Gebäude führt, dadurch das Atrium ausbildet und somit  thematisiert dieser spektakuläre Innenraum das Zusammenwachsen dieser Stadt. Das neue Medienhaus wird auf geschichtsträchtigem Grund stehen, die Grenzen der einst geteilten Stadt auch baulich überwinden und dieser Bau wird das heutige Berlin repräsentieren: eine digitale Haupt- und Medienstadt. Die Einweihung ist für 2019 geplant. Der Neubau ist das erste Axel-Springer-Gebäude im Gebiet des ehemaligen Ost-Berlin, in dem 3500 Arbeitsplätze entstehen sollen, das Investitionsvolumen beträgt nach Angabe einer Sprecherin rund 300 Millionen Euro.

Weitere spektakuläre Bauten von Rem Koolhaas sind die Central Library in Seattle oder die niederländische Botschaft in Berlin. Für Prada ist Rem Koolhaas  im großen Stil nicht nur architektonisch tätig, sondern hat z.B. auch das „Frontpack“ entworfen, eine Art Rucksack, den man auf dem Bauch trägt.

Wie sieht Rem Koolhaas die Zukunft der Architektur?

Generell basiert die Arbeit, die theoretische und die praktische, von Rem Koolhaas auf der Überzeugung, dass die Architektur das Leben der Menschen in großem Maße beeinflusst. Rem Kohlhaas und das Team von OMA gründeten deshalb das Forschungsstudio AMO, das sich mit gesellschaftlichen Themen außerhalb der Architektur beschäftigt, um die enge Verbindung zwischen Architektur und gesellschaftlichem Leben zu dokumentieren. Ebenso wie das OMA unterhält das AMO Filialen in Rotterdam, New York, Beijing und Hongkong.

Im Idealfall ist Architektur eine permanente Disziplin, im Gegensatz zum Journalismus zum Beispiel, Rem Koolhaas hatte immer das Gefühl, dass sich das Berufsbild des Architekten seit 3000 Jahren kaum geändert habe und es war ihm stets ein Anliegen, dies grundlegend zu ändern. Seine Arbeiten sind  generell dem Dekonstruktivismus zuzuordnen.

Viele Jahrzehnte galt Rem Koolhaas als Vordenker und Apologet  des Großstadtlebens. Im kommenden Jahr wird er im New Yorker Guggenheim-Museum die Schau „Countryside: Future of the World“ zeigen.

Er hatte unter anderem in der Schweiz über Jahre seine Ferien verbracht und ihm war aufgefallen, wie sich das Land in zunehmenden Maße rapide verwandelte, schneller und radikaler als die Städte. Die epochale Bedeutung dieser Transformation werde noch nicht erkannt – nach der Auffassung von Rem Koolhaas entsteht die Architektur der Zukunft auf dem Land und während der technische Fortschritt sich in Lichtgeschwindigkeit bewege, käme das Denken der Architekten kaum von der Stelle. Hier sieht Rem Koolhaas seine großen Herausforderungen, denen er sich stets aufs Neue stellen will!

Titelbild: Strelka Institute for Media, Architecture and Design from Moscow, Russia [CC BY 2.0 ], via Wikimedia Commons

Beitragsbilder: Shutterstock

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Harriet von Behr
Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.
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