Zaha Mohammad Hadid, geboren am 31.10.1950 in Bagdad, war eine Architektin, Archtitekturprofessorin und Designerin aus dem Irak mit britischer Staatangehörigkeit, die 2004 als erste Frau den bedeutendsten Architekturpreis, den Pritzker-Preis, der als Nobelpreis der Architektur gilt, gewann. 2009 erhielt Sie zudem den japanischen Praemium imperiale.
Ihre Eltern waren Wajiha Sabunij, die 1983 verstarb und Muhammad Hadid (1907-1999), die beide aus Mossul stammten und deren Familien durch Handel, industrielle Investitionen und Immobilien zu großem Reichtum gelangt waren. Der Vater war im Laufe seiner beruflichen Karriere u.a. mehrmals Finanzminister gewesen. Die Familie, zu der auch noch zwei Brüder gehörten, pflegte einen westlichen Lebensstil und wohnte in einem Haus, das vom Bauhausstil beeinflusst war. Bereits als Kind gestaltete bzw. designte sie ihr Kinderzimmer komplett neu: ein Tischler baute nach diesem Muster weitere Kinderzimmer, die in Bagdad verkauft wurden. Zaha Hadid besuchte zunächst eine Klosterschule, später ein Schweizer – sowie ein englisches Internat. Bereits mit 11 Jahren stand ihr Berufswunsch fest: Architektin. Neben ihren Architekturprojekten widmete sie sich in späterer Zeit auch vielfältigen Designaufgaben, die jedoch stets an zweiter Stelle kamen. Zaha Hadid verstarb am 31. März 2016 in Miami/Florida.
Ausbildung
Bis zum Jahr 1971 studierte Zaha Hadid Mathematik an der American University of Beirut und emigrierte später dann nach Großbritannien. Ein Architekturstudium folgte von 1972-1977 an der Architectural Association School (AA) in London. Ihre Dozenten waren u.a. Rem Kohlhaas und Bernard Tschumi, die beide auf der Suche nach Formen jenseits der klassischen Moderne und des Neo-Historismus waren. Bereits damals galt Zaha Hadid als außerordentlich begabte Studentin. Ihre Abschlussarbeit war das Hotel an der Hungerford Bridge: “Malevich’s Tectonics”. Es war eine Reverenz an den russischen Suprematisten Kasimir Malewitsch. Er und El Lissitzky zählten zu ihren architektonischen Vorbildern! Sie galt als theoretische Vordenkerin des Dekonstruktivismus, war diesem aber nicht verpflichtet, sondern unentwegt auf der Suche nach einer Formensprache der Moderne. Viele, sehr viele Entwürfe entstanden, für die Zaha Hadid auch zahlreiche Auszeichnungen erhielt, die jedoch lange nicht umgesetzt werden konnten, da ihre Entwürfe den Bauherren zu kühn waren und sich niemand fand, der den nötigen Mut aufbrachte um sie zu realisieren.
Erst 1993 konnte dank der Innovationsfreude von Rolf Fehlbaum das Feuerwehrhaus des Vitra-Werkes in Weil am Rhein gebaut werden. Die Feuerwehrleute waren jedoch nicht bereit die einsehbaren Toiletten zu benutzen: deshalb wurde das Feuerwehrhaus später in ein Veranstaltungszentrum umgewandelt! Für Zaha Hadid bedeutete dieser Bau nach der langen Durststrecke der Durchbruch in ihrer Karriere. Die britische Hauptstadt wurde ihre Wahlheimat. Dort gründete sie 1980 ein eigenes Architekturbüro. Der deutsche Architekt und Architekturprofessor Patrik Schumacher (* 1961) arbeitete bis 1983 für ihr Büro, wurde 1988 ihr Mitarbeiter und 2002 schließlich Teilhaber (Partner). Seit 2011 gibt es auch ein Büro in der Speicherstadt in Hamburg. Das Londoner Büro beschäftigte im Jahr 2012 250 Mitarbeiter, 2015 arbeiteten dort 400 Architekten an 950 Projekten in 44 Ländern.
Baustil und Design
Architekturkritiker bezeichnen Zaha Hadids Baustil als fließend/kinetisch (auf der Bewegung basierend). Patrik Schumacher, ihr Geschäftspartner, definiert ihn als parametrisch und meint damit die “Eleganz geordneter Komplexität und den Eindruck nahtloser Fluidität” (Fließfähigkeit), was den “natürlichen Systemen” entspricht. Rem Kohlhaas, der Stararchitekt, hingegen, sagt über sie, dass sie ein “Planet mit einem eigenen, einzigen Orbit” sei. Ihre Abneigung gegen den rechten Winkel drückte Hadid so aus: “Das Wichtigste ist die Bewegung, der Fluss der Dinge, eine nicht-euklidische Geometrie, in der sich nichts wiederholt: eine Neuordnung des Raums.”
Bauwerke und Projekte (Auswahl)
Nach dem Bau des Vitra-Museums war ihr größtes und ehrgeizigstes Projekt in Deutschland das phaeno, ein interaktives Erlebnismuseum für Naturwissenschaften, das von 2001-2005 entstand. Es handelt sich hier um eine sehr komplexe Konstruktion mit einer avantgardistischen Formensprache, die dennoch schwerelos wirkt. Das Phaeno verfügt über flexible Nutzungsmöglichkeiten. Die Umsetzung des Bauwerkes war nur durch den Einsatz neuester Bautechnologien, insbesondere durch sich selbstverdichtenden Beton möglich!
BMW-Werk Leipzig
Am 13.5.2005 wurde das BMW-Werk Leipzig eingeweiht, für dessen Zentralgebäude, das kommunikative Zentrum des Werkes, in der die organisatorische und technische Verwaltung, die Qualitätskontrolle sowie die Sozialräume untergebracht sind, Zaha Hadid die verantwortliche Architektin war. Sie erhielt für diesen Bau sowohl den Architekturpreis 2005 der Stadt Leipzig als auch den Deutschen Architekturpreis im gleichen Jahr.
Sie war diesmal mehr als sonst üblich bereit pragmatische Grundsätze in den Vordergrund zu stellen ohne jedoch ihre künstlerische Formensprache zu verleugnen. Die Nutzung des Gebäudes und die Ökonomie standen erstmalig im Vordergrund.
MAXXI
– Nationales Museum der Kunst des XXI. Jahrhunderts in Rom –
Das Museum wurde 2010 eröffnet und besteht aus zwei Komplexen: MAXXI art und MAXXI architecture und zählt als kulturelle Innovation. Entstanden auf einem ehemaligen Militärgelände, verfügt es über eine Fläche von 27.000 qm und integriert sich harmonisch in die Architektur des Stadtteiles. Der Grundriss basiert auf dem L-förmigen Grundstück; der futuristische Entwurf verbindet die Betonwände, die das Netz desselben definieren, kongenial mit der Bewegung und Dynamik der Kreuzungen, Rampen und Treppen.
“Auf städtebaulicher Ebene nehmen die vielfältig vernetzten Stränge geschmeidig die Hauptrichtungen des urbanen Rasters rund um das L-förmige Grundstück auf.”
London Aquatics Centre
Für die Olympischen Sommerspiele 2012 als auch die Sommer-Paralympics 2012 entstand das London Aquatics Centre, eine großangelegte Wassersportarena im Londoner Stadtteil Stratford, das am 27. Juni 2011 eröffnet wurde. Zur Zeit der Spiele verfügte es über 17.500 Plätze, nach dem Rückbau dann über 2.800 Plätze im Jahr 2014.
Blickfang ist das organisch geschwungene Dach, welches an eine überdimensionierte “Alien-Auster” erinnert. Im Innern sind die Formen harmonisch, wie immer großzügig gestaltet, aber ordnen sich dem Zweck des Baus unter; die Sprungtürme, mit viel Materialeinsatz ausgesprochen elegant gestaltet, faszinieren den Betrachter.
Campus WU Wien
Sechs namhafte Architekten aus aller Welt wurden für dieses Projekt ausgewählt um Architektur von Weltrang entstehen zu lassen. Für das Herzstück des Campus, das “Library and Learning Center (LC), das durch einen dunklen und einen hellen Baukörper geprägt wird, zeichnet Zaha Hadid verantwortlich. Archaisch-futuristisch wird es von Fachleuten charakterisiert.
Der markante Bau aus Schrägen (die Fassaden des Lernzentrums neigen sich bis zu 2035 Grad) und fließenden Kurven, gestaltet aus zwei ineinander verschränkten Baukörpern, bildet den Mittelpunkt des Campus in Wien-Leopoldstadt in unmittelbarer Nähe zum Prater. Zu Beginn des WS 2013/2014 fand die Einweihung statt.
Projekte in Tirol
Reinhold Messner und Zaha Hadid
Wenn eine Stararchitektin und ein Extrembergsteiger zusammenarbeiten, kann man sicher sein, dass das Ergebnis ein besonderes Projekt, ein Objekt der Superlative ist. Am 23. Juli 2015 wurde das 6. Museum von Reinhold Messner, das MMM (Messner Mountain Corones) auf dem Brunecker Kronplatz am Rande der Dolomiten eingeweiht: innovative Architektur vor spektakulärer Kulisse!
Wider Erwarten und entgegen aller Prophezeiungen war die Zusammenarbeit zwischen der exzentrischen Architektin und dem eigensinnigen Bergsteiger gut verlaufen. Die Baustelle befand sich auf über 2000m Höhe: Zaha Hadid gelang es , dem Berg ihren Stempel aufzudrücken und gleichzeitig den Charakter des Ortes sensibel zu achten. Das Bauwerk ist ein organisch geschwungenes, futuristisch anmutendes “Alpen-Ufo”, trägt eindeutig die Handschrift der Architektin, aber fügt sich dennoch in die Landschaft ein und trumpft nicht auf. Es zieht den Besucher sowohl von außen als auch von innen in seinen Bann. Die Räume gehen ineinander über, keine Wand ist gerade, es gibt keine Ecken, nur eine Raumflucht, die auf eine Glasfront zuführt: dahinter ist der Blick auf eine großartige Kulisse, die Dolomiten, freigegeben.
Reinhold Messner hat die Herausforderung angenommen und das Museum entsprechend gestaltet.
Die Hungerburgbahn/Innsbruck
Die Stationen der Hungerburgbahn haben neue, internationale Maßstäbe für moderne Architektur gesetzt. Die Stationen Congress, Löwenhaus, Alpenzoo und Hungerburg wurden von verschiedenen Architekten gestaltet, die Hungerburg von Zaha Hadid. Die Hungerburgbahn ist eine Standseilbahn, mit der man in 20 Minuten von Innsbruck in die Alpenregion gelangt. Im Jahr 2007 wurde die neu gestaltete Hungerburg eingeweiht. Zaha Hadid, inspiriert durch die Schnee- und Eislandschaften, gelang es, einen Kontrast zwischen den geschwungenen, leichten Formen der Überdachung und den erdverbundenen, fest verankerten Betonsockeln herzustellen. Das macht den besonderen Reiz des Gebäudes aus.
Die Bergiselschanze
Die Bergiselschanze ist das architektonische bedeutsamste Sportbauwerk Österreichs. Die Skisprungschanze auf dem Berg Isel in Innsbruck wurde am 4. September 2002 eingeweiht, 2003 schließlich fertiggestellt. Sie ist mit ihrer innovativen futuristischen Architektur ein Wahrzeichen der Stadt, das sich je nach Blickwinkel dem Betrachter immer wieder neu zeigt. Zaha Hadid erhielt für dieses Projekt 2002 den Österreichischen Staatspreis für Architektur! Die Hungerburgbahn am anderen Ende der Stadt, deren eine Station, die Hungerburg ja ebenfalls von Zaha Hadid konzipiert wurde, bildet zur Bergiselschanze ein interessantes Gegenstück.
Napoli Afragola
Posthum wurde nach Zaha Hadids plötzlichem Tod im Jahr 2016 am 6.6.2017 der Bahnhof in Afragola bei Neapel durch Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni eingeweiht. Der 400m lange futuristisch-schlangenförmige Megabahnhof wird schon seit 2003 gebaut und wurde vielfach kritisiert, insbesondere wegen seiner fehlenden Anbindung nach Neapel. Eine 2. Bauphase wird sich anschließen, die voraussichtlich 2022 beendet sein wird.