Moral – auch heute noch aktuell?

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Moral – was ist das eigentlich?

In früheren Zeiten hat man sich, wenn es um Moral geht, auf die Bibel bezogen um die Fragen des richtigen Handelns und  der gültigen Werte zu beantworten. Spätestens seit Immanuel Kant und dem Zeitalter der Aufklärung bedienen sich die Menschen zunehmend lieber ihres eigenen Verstandes um entsprechende Fragen zu lösen und zu einem präzisen Urteil zu kommen.

Das Wort Moral stammt aus dem Lateinischen (moralis) und bedeutet „die Sitte betreffend“. Einerseits beschreibt Moral hauptsächlich Handlungen, die ein Mensch oder eine Gesellschaft von seinen Mitmenschen erwartet, andererseits soll sie auch verbindlich dafür sorgen, dass das Zusammenleben in angemessener Weise gewährleistet wird, d.h.die Moral ist ein aus religiöser und kultureller Erfahrung gebildetes Regel-, Normen- und Wertesystem, das in einer Gesellschaft als Verhaltensmaßstab betrachtet  wird.

Moral in Unternehmen

In Unternehmen gilt es ein Gleichgewicht zwischen Ethik und Profit zu erreichen, ein Gedanke, der bei manchen Skepsis hervorruft. Aber die Verbindung zwischen sozialer und ökonomischer Verantwortung muß keinen Widerspruch darstellen.

Lange Zeit herrschte hier die Meinung, dass die Übernahme von sozialer Verantwortung viel Geld koste, aber keinen Gewinn bringe. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und unter der Devise “doing well by doing good” haben viele Unternehmen erkannt, wie man durch das gesellschaftliche Engagement moralische und wirtschaftliche Zwecke miteinander verbinden kann. Dadurch sind soziale Aktivitäten nicht mehr nur lästige Pflicht, sondern ökonomisch sinnvolle Investitionen, die sich in der Wertschöpfung und der Marktkapitalisierung von Unternehmen niederschlagen.

Corporate-Social-Responsibility (CSR) Initiativen sind ein Renditefaktor, der in nachhaltigem Wachstum, Wettbewerbsvorteilen sowie höherer Reputation zum Ausdruck kommt, d.h. Investoren und Konsumenten sind in wachsendem Maße daran interessiert, dass Unternehmen sich an Verhaltensprinzipien orientieren, die integer sind und den Ansprüchen der Moral entsprechen. Die Berücksichtigung ethischer Standards in der Unternehmenspraxis ist eine Reaktion bzw. ein Ausdruck für eine gewandelte gesellschaftliche Lage, in der  zunehmend Wert auf umweltverträgliche Produkte, humane Arbeitsbedingungen und faire Gewinnverteilung gelegt wird.

Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass das soziale Engagement von Unternehmen nur so lange aufrechterhalten wird, wie es sich für ein Unternehmen rechnet. Hoher Kostendruck und die Renditeerwartungen, denen in erster Linie Kapitalgesellschaften auf dem Weltmarkt ausgesetzt sind, sorgen dafür, dass CSR-Aktivitäten nur dann unterstützt werden, wenn sie sich in den Bilanzen positiv darstellen.

Umso bedeutsamer wird es für Firmen und Konzerne, moralische Überzeugungen in der eigenen Unternehmenskultur auszubilden. Anlässlich der Korruptionsskandale bei Siemens drückte es der Unternehmer Ernst-Wilhelm Händler so aus: “Wer wirklich mehr Moral im Wirtschaftsleben will, muss auf eine ebenso harmlose wie sarkastische Lösung setzen: Die Moral kann nur von innen kommen. Der Manager muß überzeugt sein, dass die Einhaltung der Normen und die Verfolgung der Werte, die Moral ausmachen, den wohlverstandenen, langfristigen Interessen seiner Firma dienen.“ Es stellt sich dabei natürlich die Frage, ob die Moral nicht zum Geschäftsfaktor degradiert wird?

Aus diesen Gründen ist es von entscheidender Relevanz, dass Unternehmen eine Kultur der Eigenverantwortung entwickeln, die dazu beiträgt, dass Standards der Moral und der Ökologie auch dann eingehalten werden, wenn sie ökonomische Belastungen mit sich bringen, d.h. Unternehmen müssen beiden Formen der Verantwortung gerecht werden: erst wenn sie Gewinne erwirtschaften, können sie nach Grundsätzen der Moral agieren, worauf sich wieder ihre Gewinne maximieren. Es ist die Aufgabe der Unternehmensführung, in dieser Hinsicht für ein produktives Wechselverhältnis zu sorgen – die Bürger wiederum können durch ihre Kaufentscheidungen dazu beitragen, dass Moral zum festen Bestandteil im Geschäftsleben wird.

Moral in Führungspositionen

Wenn es in einem Unternehmen um Moral geht, steht es außer Frage, dass hierbei den Führungskräften eine Vorbildfunktion zukommt.  Allerdings werden sich diese stets in einem Konflikt mit ihren wirtschaftlichen Zielen befinden.

„Die Moral bezeichnet die in einer Gruppe geteilten oder internalisierten Verhaltensnormen. Die Ethik sucht darüber hinaus nach allgemein gültigen handlungsleitenden Prinzipien. Die Moral ist damit abhängig von gesellschaftlichen und historischen Gegebenheiten.“ (Michael Paschen/Wolfgang Dinsmaier) In der Praxis stellt sich heraus, dass es für Führungskräfte letztlich nicht möglich ist, immer allen gerecht zu werden. Dennoch müssen sie sich bewußt machen, welche Auswirkungen ihr Handeln unter dem Aspekt der Moral auf die Mitarbeiter hat, nicht zuletzt wird sich dieses auch auf das eigene Verhalten der Mitarbeiter auswirken. Zudem muß sich Moral im Unternehmen immer rechnen, denn langfristig kann ein Unternehmen sonst am Markt nicht bestehen.

Moral in Zeiten der Digitalisierung

Eine völlig neue, vorher nie dagewesene Herausforderung ist die Tatsache, wie Moral im Netz gelebt werden kann, denn Verantwortungsbewusstsein endet nicht in der realen Welt, sondern muß auch im virtuellen Raum realisiert werden und es stellt sich die Frage, wer dort die Regeln bestimmt: es geht in Zukunft darum eine Digitalethik zu konzipieren.

In rasantem Tempo hat sich unser Alltag in den letzten Jahrzehnten fundamental verändert. Aber wer trägt die Verantwortung in Zeiten, in denen anonyme rassistische und sexistische Beleidigungen, Public Shaming und Shitstorms in sozialen Netzwerken die Norm sind? Unter welchen Aspekten der Moral  müssen wir in Zukunft mit digitaler Propaganda,Videos von Terrororganisationen oder virtuellem Mobbing umgehen?

Das Institut für Digitale Ethik, gegründet 2013, befasst sich mit diesen Fragen – es versteht sich als Werkzeug zur Sensibilisierung für alle Fragen der Ethik und Moral im Netz: nach ihrer Einschätzung braucht unsere Gesellschaft eine wertebasierte Medienkompetenz, um die vielfältigen Herausforderungen der digitalen Welt bewältigen zu können. Es liegt in unserer Verantwortung, die Fähigkeiten, die Medien und mediales Handeln bewerten, deren Folgen abschätzen bzw. ihnen entgegensteuern, auszubilden. Besonders tiefgreifend und drastisch ist die Veränderung durch die Digitalisierung hinsichtlich der Veröffentlichung privater Daten. Das ist der Preis, den wir für die Errungenschaften der digitalisierten Welt bezahlen: die Datafizierung der Privatsphäre.

Für den User entsteht die Konsequenz, rechtzeitig darüber nachzudenken, welche Folgen das eigene Handeln im Netz hat. Die Moral im Netz muß neu verortet werden. Digitale Ethik bzw. Moral gerät damit allerdings auch in den Verdacht der Zensur. Trotzdem wird in Zukunft die Digitalethik, gemeinsam mit Transparenz und Anonymität, eine entscheidende Rolle im Umgang mit dem Internet spielen.

Wir können erkennen, dass Moral in all ihren Facetten nichts von ihrer Notwendigkeit eingebüßt hat, im  Gegenteil, ein Verhalten, das fundiert ist durch Ethik und Moral, ist in gegenwärtiger Zeit mit ihren neuen Herausforderungen notweniger denn je.    

Bild: Shutterstock

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Harriet von Behr
Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.
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