Joachim Kaiser – ein Porträt

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Universalgelehrter, Großkritiker, Feuilleton-Chef der SZ

Am 18. Dezember 1928 wurde Joachim Kaiser in Milken (Ostpreußen) als Sohn einer musisch sehr gebildeten, wohlsituierten Landarztfamilie geboren. Die Familie siedelte nach Tilsit um, wo er im Alter von 8 Jahren mit dem Klavierspiel begann. Schon in jungen Jahren zeigten sich seine vielfältigen Begabungen, sei es in der Musik oder in der Literatur, sozusagen ein Wunderkind! Nach der Flucht aus Ostpreußen machte er in Hamburg das Abitur. Ein Studium der Musikwissenschaft, Literatur, Philosophie und Soziologie in Göttingen, Frankfurt/M. und Tübingen schloss sich an.

Seine legendäre Karriere als Musik-, Theater- und Literaturkritiker begann 1951. Eine einzige Rezension hatte ihm mit gerademal 22 Jahren den Weg geebnet: Theodor W. Adorno, Musik und Katastrophe. Über die “Philosophie der Neuen Musik”. Joachim Kaiser war der einzige, der sich diese Kritik zugetraut hatte! Sein Studium schloss er 1958 in Tübingen mit einer Promotion über “Grillparzers dramatischen Stil” ab.

Im Jahr 1953 lud ihn Hans Werner Richter in die Gruppe 47 ein, so manche lebenslange Freundschaft stammte aus dieser ihn sehr prägenden Zeit.
Kaisers Weg in den Journalismus war laut seiner eigenen Aussage durch die Auseinandersetzung mit dem Philosophen Adorno, deren Seminare er in Frankfurt besucht hatte, vorgezeichnet.
Einige Jahre später trat er auf Empfehlung des Journalisten Erich Kuby 1959 in die Kulturredaktion der Süddeutschen Zeitung ein, in der er später langjähriger Chefredakteur des Feuilletons wurde, von 1977-1996 wirkte er als Professor für Musikgeschichte an der Hochschule für Musik und Bildende Kunst in Stuttgart.
Über Jahrzehnte hinweg prägte er das kulturelle Leben in München, aber auch weit darüber hinaus: er war eine Institution!
Zahlreiche Bücher, speziell zu Themen der Musikgeschichte, wurden von ihm verfaßt und er war auch ein begeisterter und begnadeter Lehrer. Es gelang ihm, die schwierigsten Sachverhalte sowohl dem Kenner als auch dem Laien bzw. Neuling nahezubringen und ihn dafür zu begeistern. Das Buch “Pianisten unserer Zeit” z.B. zählt heute zu den Standardwerken.

Mit unzähligen Künstlern seiner Zeit verkehrte er auf Augenhöhe. Er selbst war kein schaffender Künstler, durch die lebenslange Beschäftigung mit unzähligen Werken war er mit ihnen und ihren Intentionen jedoch zutiefst vertraut, pflegte eine nahezu erotische Beziehung zu ihnen, wie er es selbst einmal formulierte.

Einige wenige Menschen sind schon zu Lebzeiten eine Legende, – Joachim Kaiser ist einer von ihnen! Am 11. Mai 2017 ist er nach längerer Krankheit in München gestorben.

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Harriet von Behr
Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.
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