Pitti Uomo – mehr als eine Modemesse

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Zweimal im Jahr, im Januar und im Juni, findet in Florenz zum die Pitti Uomo, die wichtigste Männermodemesse der Welt, statt – in diesem Jahr zum 93. Mal. Dort kann man sehen, was in der kommenden Saison zwischen New York und Tokio in den Schaufenstern ausgestellt sein wird und sie ist auch ein Gradmesser für die künftigen Männermodetrends. Die Pitti Uomo steht immer am Anfang des Modekalenders und fand dieses Jahr vom 9.-12. Januar statt. 1.244 Aussteller sind dort mit ihren Kollektionen vertreten. 36.000 Besucher werden erwartet – 20.000 Einkäufer reisen nach Florenz und können dort viele Trends erstmalig begutachten.

Wirft man einen Blick auf die Herrenkonfektion 2018, wird sie immer noch zu großen Teilen aus funktionalen Textilien zu sportlichen Outfits geschneidert.

Das Berliner Label 032c zum Beispiel stellte in Florenz erstmalig eine komplette Herrenkollektion vor. Streetwear bleibt ein wichtiger Impulsgeber für die Branche – das zeigt sich auch daran, dass es in diesem Jahr einen eigenen Bereich für die sogenannte Athleisure gab. Athleisure ist ein Modetrend, der bedeutet, dass funktionale Sportkleidung heutzutage nicht mehr nur fürs Training gedacht ist, sondern dass man kann sich damit auch im Büro oder der Bar sehen lassen kann. Ja, für manche Modetrends muß sogar ein neuer Name erfunden werden: Athletic und Leisure, was das englische Wort für Freizeit ist – Athleisure. Junge Modemacher sowie die Weberei Reda stellten unter dem Namen Athlovers ihre fünf Kollektionen und ihre Stoffe vor, ein Projekt, das auf der diesjährigen Pitti Premiere hat.

Erste Anzeichen für eine Abkehr von den sportlichen Looks hin zu klassischeren Bekleidungsstilen waren in Florenz auch erkennbar. Speziell bei der Hosenmode wurde viel Cord gezeigt, bevorzugt in dunklen Tönen von Schwarz bis Braun, für die Mutigeren auch in angegrautem Weiß (Offwhite) oder Rosa. Das Karo könnte bei der Oberbekleidung ein Comeback feiern. Zahlreiche Marken, speziell aus dem oberen Preissegment, hatten Mäntel und Sakkos mit diesem Muster im Programm. Die Silhouetten werden insgesamt wieder weiter, insbesondere die Hosen, die auch ein wenig schlackern dürfen.

Zwischen Messe und Fashion Week

Die weltweiten Modemessen haben im Verhältnis zu den Pitti-Konkurrenten nicht den fortschrittlichen Aspekt, den die Pitti hat. Denn ein Designer, der auf der Pitti zeigt, bekommt direkt einen anerkennenden Stempel. Die Pitti ist eine Messe, die sich zwischen einer Fashion Week und einer traditionellen Modemesse positioniert – eine clevere Entscheidung, denn hier werden entscheidende Business-Entscheidungen getroffen.

Die Initiatoren der Pitti bestehen darauf, dass das Engagement, neue Talente zu zeigen, immer ein wichtiger Bestandteil der Pitti Uomo war.Die Idee für ein Gastprogramm ist bereits 25 Jahre alt, so Raffaelo Napoleone, der Hauptgeschäftsführer der Pitti Immagine SRL  – wenn man zurückschaut, hatten wir natürlich die Großen wie z.B. Gianni Versace, die ihre Kollektionen präsentierten. Doch später begannen wir auch, neue und vielversprechende Designer zu zeigen: Hussein Chalayan zeigte seine erste Kollektion zu Beginn seiner Karriere 2003, Haider Ackermanns debütierte 2010 auf der Pitti. Takahashi, der in dieser Saison seinen großen Auftritt hat, zeigte seine Männerkollektion bereits 2009, ebenfalls auf der Pitti.

In den letzten Editionen der Pittti wurde immer mehr selektiert, wer eine Einladung bekommt. Es wird sensibel kalkuliert nach Designer, Stil und Zeit, denn die Männermode und ihre Präsentation soll das Publikum stets aufs Neue überraschen. Vom Streetwear bis zum japanischen Amerikanismus – alles passiert mit einem zufällig wirkenden spannenden Timing.

Napoleones Team ist sehr stolz darauf, wie nah sie am Puls der globalen Menswear sind und er sagt: “Wenn man so tief in allen aufkommenden Märkten steckt, in enger Verbindung mit offiziellen Organisationen, der Presse und den besten Distributoren der Welt steht, ist man wirklich am Kern des Marktes.“

Anders, als die durch ihre Region begrenzten Fashion Weeks, ist die Patti kosmopolitisch und weltoffen. Während jeder Edition der Florentiner Messe wählt die Fondazione Pitti Imagine Discovery ein bestimmtes Land aus, das seine neuen Talente vorstellt – stets unter der Schirmherrschaft einer Organisation des jeweiligen Landes. „Pitti Uomo ist heute eine Referenz für die gesamte Industrie der Herrenbekleidung“, so Napoleone. Anson Chen von GQ China ist überzeugt auch von dem zukünftigen Stellenwert der Pitti und sagt: „Als Mitglied der Medien und als Einkäufer: auf der Pitti kann man den stattfindende Austausch würdigen anders als auf einer normalen Fashion Week – was ich persönlich viel interessanter finde“.

Mit der Pitti Uomo verbinden viele Insider auch die Pitti Peacocks: Männer, die mit ihren Auftritten vor der Fortezza del Basso den Ausstellern und ihren neuen Kollektionen die Show stehlen, aber das gehört irgendwie dazu und steht in den letzten Jahren nicht mehr so im Vordergrund. Die Pitti Peacocks sind ein im Prinzip überschaubarer Kreis von Männern und einigen wenigen Frauen, die zweimal im Jahr einfach die Gelegenheit nutzen, um sich und die Mode zu feiern – sie wollen sehen und gesehen werden – ein nicht unpassendes Attribut für eine solche Messe! Bühne frei!

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Harriet von Behr
Harriet von Behr

Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.

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