Das Geheimnis der Work Life Balance

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Work-Life-Balance wurde in den letzten Jahren ein viel diskutierter Begriff, der jedoch aus vielen Perspektiven differenziert betrachtet werden kann und muß. Insbesondere darf man den historischen Kontext nicht unberücksichtigt lassen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders hätte wohl niemand über Work-Life-Balance nachgedacht.Im Vordergrund stand die Arbeit um die Existenz wieder zu sichern und vielleicht sogar zu Wohlstand zu gelangen. In gewissem Maße setzte die nächste Generation dieses Arbeitsethos noch fort, allerdings zeigten sich hier schon Brüche und Rebellion auf vielen Ebenen. Es folgte die Generation X, der eine Karriere überaus wichtig war und die einen 12-16 Stunden Tag gerne in Kauf nahm, d.h. sich im Wesentlichen über die Arbeit definierte. In der Regel schlägt das Pendel in der nächsten Generation dann wieder nach der anderen Seite aus.

Die Karriere ist in der Generation Y nicht mehr der Lebensmittelpunkt bzw. die Hauptsache, die Ypsilons, geboren zwischen 1980 und 1999 wünschen sich eine Ausgewogenheit zwischen Berufs- und Privatleben. Aufgewachsen im Zeitalter der Globalisierung stellen sie sich viele Fragen, deshalb werden sie ja Generation Why (Y) genannt. Und wenn sie gefragt werden, warum sie so leben, lautet die klare Antwort: „weil ich mir wichtig bin“.

Konfuzius sagte einmal, dass man nur den Beruf wählen müsse, der einem Freude macht und man müsse in seinem Leben nie wieder einen Tag arbeiten.

Wenn wir von einem Work-Life-Balance-Konzept ausgehen, basiert dies auf einem Dualismus von Arbeit und Leben, den es auszugleichen gilt. Die Arbeit ist in diesem Zusammenhang automatisch eine notwendige, oftmals ungeliebte  Tätigkeit, die erledigt werden muß. Die Erfüllung wird dann im Privatleben, u.U. mit Familie und Kindern, gesehen – eine Schwarz-Weiß-Malerei, die wohl kaum der Realität entspricht.

Was ist Work Life Balance eigentlich?

Dieser Begriff setzt sich aus den englischen Worten „work“ (Arbeit), „life“ (Leben) und „balance“ (Gleichgewicht) zusammen. Mit diesen Begriffen wird ein Szenario beschrieben, in dem sich Berufs- und Privatleben im Einklang befinden: weder berufliche Anforderungen noch persönliche Interessen kommen hierbei zu kurz.

Entscheidend ist, dass mit Balance nicht unbedingt eine 50-50 Aufteilung gemeint ist, d.h. jeder muß für sich selber herausfinden, was er als gesundes Maß empfindet, denn was man als Pflicht bzw, Stress empfindet und was als kraftspendende „Quality Time“, ist ausgesprochen individuell.

Heutzutage, in Zeiten des Homeoffice oder der digitalen Nomaden, hat sich noch ein weiterer Begriff konstituiert: das Work-Life-Blending, d.h. Arbeits- und Privatleben verschmelzen, da es die modernen, flexiblen Arbeitszeitmodelle möglich machen. Das neue Ziel ist ein fließender Übergang zwischen Arbeits- und Privatleben.

Vorteile einer guten Work-Life-Balance

Es ist absolut normal, wenn die Work-Life-Balance von Zeit zu Zeit mal aus dem Gleichgewicht gerät – das kann ein gesunder Mensch ohne weiteres verkraften.

Erst wenn ein Bereich dauerhaft vernachlässigt wird, kann das ungute Auswirkungen haben – die wohl bekannteste ist das Burnout Syndrom. Seine Ursachen liegen in der Aufopferung für den Beruf verbunden mit einem ausgeprägten Perfektionismus, das Privatleben und die Selbstfürsorge werden außer Acht gelassen. Vielen Menschen ist nicht bewußt, dass das private Glück in Verbindung mit einer generellen Ausgeglichenheit durchaus auch zu beruflichem Erfolg führen kann.

Es ist zu bedenken, dass aber jeder Mensch seine eigene Toleranzgrenze hat, bis zu welchem Zeitpunkt er ein Ungleichgewicht von Arbeits- und Privatleben erträgt.

Wenn die Work-Life-Balance nicht mehr im Gleichgewicht ist, sind 

Vergesslichkeit und Verwirrung typische Anzeichen, wenn die Balance zwischen Beruf- und Privatleben außer Kontrolle geraten ist. Man fühlt sich dann den Anforderungen auf allen Lebensgebieten nicht mehr gewachsen. Deshalb sollte man regelmäßig reflektieren, ob evtl. Familie, Freunde oder Hobbys nicht regelmäßig zu kurz kommen und ob man noch über Zeit für die wirklichen Dinge im Leben hat. Die zentrale Frage lautet dann: Bin ich mit meinem Leben wirklich zufrieden?

Erfüllung im Beruf

Bei all diesen Überlegungen muß man aber darauf achten, dass die Arbeit nicht im Gegensatz zum  Privatleben gewissermaßen als eine Art Feindbild dargestellt wird, bei dem durch das Privatleben der Ausgleich geschaffen werden muß. Für diejenigen Menschen, die ihren Job absolut nicht als Erfüllung betrachten, mag das durchaus zutreffen. Letztendlich muß jeder für sich selbst entscheiden, wo er seine Defizite empfindet, welche Dinge ihm Freude bereiten und welche nicht.

Eine gesunde Work-Life-Balance ist dann gegeben, wenn sich Zeit für all das findet, was neue Energie spendet und Glück bringt.

Es gibt aber auch eine Reihe von Menschen, für die der Beruf nicht nur ein Job ist, sondern Berufung: er erfüllt sie in einem außergewöhnlichen Maße und verschafft ihnen Lebensfreude. Hier nimmt der Beruf in der Work-Life-Balance einen größeren Raum ein und man sollte sich nicht zwingen, in den privaten Part ebenso viel zu investieren. In diesem Fall sind die Übergänge zwischen privater und beruflicher Leidenschaft oft fließend. Dennoch muß in diesem Fall verstärkt darauf geachtet werden, klare Grenzen zu ziehen.

Strategien für eine gute Work-Life-Balance

Der erste Schritt zu einem zufriedenen und ausgeglichenen Leben ist stets die Selbstanalyse. Denn man weiß selber am besten, was einen glücklich macht und was man lieber vermeiden sollte. Was sind die eigenen Stärken und Schwächen? Welche Fähigkeiten sollte man ausbauen und was sollte man aufgeben?

Denn wenn man die eigenen Werte, Bedürfnisse und Ziele im Leben kennt, führt das automatisch zu einer höheren Leistungsfähigkeit. Das aktive Gestalten des eigenen Lebens und nicht die willenlose Anpassung führt zu einer gesunden Work-Life-Balance. Das Berufsleben gestaltet sich leichter und verursacht weniger Stress, wenn man seine Aufgaben liebt und sich darüber im klaren ist, was für das eigene Wohlbefinden relevant ist.

Zeitmanagement

Ein gutes Zeitmanagement hat oberste Priorität, wenn es darum geht, wieder eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Privatleben herzustellen. Denn durch Zeiteinsparungen kann die Arbeit in einem angemessenen Zeitraum erledigt und können Überstunden vermieden werden. Es ist empfehlenswert sich selber Zeitlimits für die anfallenden Aufgaben zu setzen und dann auch einzuhalten! 

Packen Sie die großen Aufgaben stets zuerst an, denn dann geraten Sie nicht unter Zeitdruck und verfügen noch über ausreichend Energiereserven.

Ablenkungen vermeiden

Ob im beruflichen oder privaten Bereich, ist es das Wichtigste bei der Erledigung aller Aufgaben Störfaktoren nach Möglichkeit auszublenden. Das gilt insbesondere für das Smartphone, es gehört in die Freizeit! Permanente Erreichbarkeit schadet der Work-Life-Balance!

Gespräche, die oft quer durch den Raum geführt werden, sind auch ein Ablenkungsfaktor, den man in den Griff bekommen sollte: um in seinem Zeitplan zu bleiben und keine Überstunden machen zu müssen, empfiehlt es sich, nicht auf jedes einzelne Gespräch einzugehen, denn Gespräche lassen sich auch auf die Pausen verschieben. In der Arbeit hat die Arbeit selbst höchste Priorität.

Ein positives Verhältnis zu den Arbeitskollegen pflegen

Oft ist nicht die eigentliche Arbeit das Problem, sondern die angespannte Beziehung zu Kollegen und Vorgesetzten stellt eine psychische Belastung dar. Das kann vom Konkurrenzkampf bis hin zum Mobbing am Arbeitsplatz reichen. Deshalb sollte man Konflikte intern lösen, in Teams arbeiten und ggfs. die Pausen gemeinsam verbringen. Ein gutes Einvernehmen mit den Kollegen macht die Arbeit gleich viel leichter und fühlt sich besser an. Das trägt ebenso zu einer guten Work-Life-Balance bei.

Private und berufliche Termine

Viele machen den Fehler, dass sie die beruflichen Termine stets priorisieren. Aus diesem Grund werden private Termine leichter verschoben als berufliche, da man im privaten Umfeld dafür mehr Verständnis erwartet.

Für eine gute Work-Life-Balance sollte man aber die privaten Termine genauso ernst nehmen wie die beruflichen. Vorsicht: das dauerhafte Fehlen sozialer Kontakte kann zu Vereinsamung und schlimmstenfalls Depressionen führen – beides schränkt die Lebensqualität empfindlich ein.

Physische und psychische Gesundheit

Neben der psychischen Gesundheit, die durch ein stabiles Umfeld gefestigt wird, gehört auch die physische Gesundheit. Für diese ist ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung Voraussetzung. Ein langer Spaziergang, der Besuch im Fitness-Studio oder Joggen: es gibt viele Möglichkeiten! Sport setzt Endorphine frei undhilft Stress abzubauen. Zumindest am Wochenende sollte frisch gekocht werden – am besten gemeinsam mit anderen. So ist dafür gesorgt, dass Arbeit, Sozialleben und physische Gesundheit in einer guten Balance zueinander stehen.

Wir sehen in diesen Ausführungen, dass dem Begriff der Work-Life-Balance eine umfassende Thematik zugrundeliegt, die sehr differenziert betrachtet werden muß.

Man kann sich der Thematik annähern und sicher die eine oder andere akzeptable Lösung finden, aber letztlich entpuppt sich der Begriff als ein Mythos, denn das Leben ist nicht planbar und wir sind ständig gefordert auch zu improvisieren, denn das Leben ist ein Überleben durch Anpassungsfähigkeit!

Der Begriff selber suggeriert, dass Leben und Arbeit Gegensätze sind, aber wer arbeitet, lebt und da gibt es eigentlich nichts auszugleichen. Und mit der richtigen  Einstellung ist die  Arbeit keine Belastung, sondern Freude. Und wer Erfolg hat, wird zufriedener, er entspannt sich, wird ausgeglichener und das  Selbstvertrauen steigt.

Letztlich geht es um eine Lebensbalance, denn jeder Abschnitt verlangt von uns neue, individuelle  Prioritäten, in denen wir uns immer wieder neu entscheiden müssen. Und der Mensch ist schließlich keine Maschine, sondern ein rhythmisches Wesen. Wir unterliegen einem Bio- bzw. Chronorhythmus. Unsere kreativen Hoch- und Leistungsphasen liegen über den Tag unterschiedlich verteilt, je nachdem, ob wir zu den Eulen (Nachtmenschen) oder den Lerchen (Frühaufsteher) gehören. Deshalb muß jeder seinen eigenen Rhythmus finden, sei es über den Tag verteilt oder über die Wochen, Monate und Jahre. Nicht nur die Zeit muß gemanagt werden, sondern auch die eigene Energie!

Wir brauchen eine klare Vision, was wir ändern wollen und warum, denn ein echter Ausgleich muß an alle Lebensbereiche adressiert sein und man sollte sich zu Beginn immer folgende Fragen stellen: 

  • Warum wili ich mich verändern?
  • Was will ich damit verbessern?
  • Und welche Freiräume schaffe ich mir durch mehr Ausgleich?

Wer seinen Beruf liebt und davon erfüllt ist, ist auch in der Lage, Außergewöhnliches zu schaffen und dies ist dann keine Belastung, sondern Freude.

Work-Life-Balance bedeutet nicht, dass alle Bereiche gleich stark ausgeprägt sind und gleich viel Aufmerksamkeit erhalten. Vielmehr bedeutet es, dass die Verteilung der Energie und der Aufmerksamkeit ganz bewusst nach unseren Wünschen gestaltet wird.

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Harriet von Behr
Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.
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