Die meisten von uns haben schon einmal einem kleinen Kind zugesehen, als es laufen lernte: unzählige Male fällt das Kind hin, richtet sich wieder auf, ruht manchmal einen kleinen Moment aus, ist vielleicht auch zornig – aber es gibt niemals auf bis es sein Ziel erreicht hat: laufen zu können! Kaum einer würde das Hinfallen des Kindes als ein Scheitern bezeichnen, eher bewundern wir insgeheim die Unermüdlichkeit des Kindes, das sich durch nichts beirren lässt. Für das Kind gehört das Hinfallen zum Prozess, es läßt sich dadurch nicht entmutigen.Etwa bis zum Schulalter hält diese Fähigkeit des nicht Aufgebens bis man sich eine neue Eigenschaft erworben hat, an, sofern dieser Prozess durch die Erwachsenen nicht gestört wird.
In späteren Jahren haben viele Menschen oft eine große Angst vor Fehlern, sei es privat, im Beruf, im Sport oder auf anderen Gebieten. Sie befürchten die Konsequenzen oder eine Blamage und vertuschen ihre Fehler lieber, verharmlosen sie oder geben gar anderen die Schuld. Diese negative Haltung ist aber der Innovationskiller Nr.1, da dadurch jegliche Weiterentwicklung ausgeschlossen wird, weil diese auf dem Mut Fehler anzuerkennen und einzugestehen basiert.
Interessanterweise sind in den letzten Jahren die sogenannten „Fuck up Nights“ in Mode gekommen, deren Ziel es ist, Fehlern bzw. dem Scheitern eine Bühne zu bereiten mit dem Ziel, dass alle Anwesenden daraus lernen können, indem die Redner und Rednerinnen ihnen einen Einblick in ihr Scheitern gewähren. Und stellen Sie einmal das Wort Fehler um: dann heißt es Helfer. Und nichts anderes sind Fehler eigentlich. Sie zeigen uns, wo es noch Verbesserungs- und Veränderungsbedarf gibt – und die gemachten Fehler werden zur Triebfeder für einen neuen Versuch, der aber anders konzipiert wird! Es gibt so manche große Namen, die vor ihrem großen Erfolg mehrfach gescheitert sind: Jack Ma, Elon Musk oder Richard Branson um nur einige zu nennen. Oder denken wir daran, dass viele Erfindungen die Folgen eines Fehlers waren: die Mikrowelle, Teflon, Eis am Stiel, Post-it, Chips, Frotteetücher und vieles mehr.
Zu jedem Scheitern gehört der Neubeginn, wobei diese Einstellung vor allem in Amerika stark verbreitet ist, während in Europa mehr die Angst vor dem Scheitern die Menschen beherrscht. Zu einer Kultur des Scheiterns gehört aber auch, sich Zeit für den Trauerprozess zu lassen um dann wieder neu durchzustarten. Wie lang dieser Prozess sein sollte, ist natürlich sehr individuell und hängt auch davon ab, in welchem Ausmaß und in welchem Bereich man gescheitert ist.
Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es ein Scheitern in Bereichen gibt, in denen es eigentlich undenkbar ist, aber dennoch passiert es, denn Menschen machen Fehler. Wie kann man damit umgehen, wenn z.B. ein Arzt, ein Chirurg oder eine Krankenschwester einen Fehler machen, evtl. einen irreparablen? In jedem Fall werden alle Fragen der Schuld in vielen Facetten relevant, es sei denn man versucht erst einmal zu verdrängen, was sich vermutlich nicht ein Leben lang aufrecht erhalten läßt. Aber auch hier eröffnet sich ein großes Spektrum an Möglichkeiten vielleicht etwas neu zu gestalten bzw. grundlegend zu verbessern.
Je nachdem, in welchem Bereich wir scheitern, gilt es verschiedene Strategien zu entwickeln um sich aus der Talsohle wieder herauszuarbeiten und den Neubeginn zu wagen. Und was wir nie vergessen dürfen: „Scheitern ist ein Umweg, keine Sackgasse.“ Zig Ziglar
Der Karriereknick
Unter einem Karriereknick versteht man den Umstand, wenn eine bisher erfolgreiche Karriere plötzlich eine ungeplante, unfreiwillige Veränderung erfährt. Die Gründe für einen solchen beruflichen Rückschritt sind sehr unterschiedlich und können jeden betreffen: den erfolgreichen Manager, der ein Millionenprojekt in den Abgrund gefahren hat oder der Unternehmer, der Insolvenz anmelden mußte oder es kommt zu Fusionen zwischen zwei Firmen und dadurch fallen Arbeitsplätze weg. Es kann auch zu ganz normalen Anpassungsschwierigkeiten im neuen Job kommen: es gibt Meinungsverschiedenheiten, die Kommunikation klappt nicht und es häufen sich Fehler. Besonders unangenehm kann dies für in der Öffentlichkeit stehende Personen werden.
Es gibt aber auch persönliche Gründe, die zu einem solchen Karriereknick führen können: ein Schicksalsschlag, der zum Studienabbruch führt oder das Ende der Ausbildungszeit fällt in eine Wirtschaftskrise. Ebenso kann man durch eine plötzliche schwere Erkrankung aus dem Alltag herausgerissen werden: das Leben zwingt einen gewissermaßen alles zu überdenken und vielleicht vollkommen neu zu gestalten. Natürlich sind all diese Einbrüche auch mit der Angst vor dem sozialen und/oder finanziellen Abstieg verbunden.
Vier Phasen des Karriereknicks
Die Menschen erleben einen Karriereknick sehr unterschiedlich und das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Deutschland ist eine Leistungsgesellschaft, in der das Denken, dass die berufliche Laufbahn immer noch linear verlaufen muß, auch heute noch weit verbreitet ist.
Zudem ist die Macht der Gewohnheit sehr stark, oft übermächtig: die unfreiwillige Veränderung der eigenen Pläne kann als Sinnkrise erlebt werden, da der Beruf für sehr viele Menschen als sinnstiftend erlebt wird.
1. Schock
In dem Moment, in dem sich der Karriereknick offenbart, fühlt sich der Betroffene wie gelähmt und ist nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Zu diesem Zeitpunkt sollten keine vorschnellen Entscheidungen getroffen werden. Besser ist es sich eine Auszeit zu nehmen. Es ist in einer solchen Zeit hilfreich echte Freunde und eine stützende Familie an seiner Seite zu haben.
2. Verdrängung
„Das ist sicher ein Irrtum. Die meinen sicher jemand anderen.“ Das, was offensichtlich ist, wird ignoriert und dass alles bald wieder im Lot sein werde.
3. Trauer
Das ist eine sehr emotionale Phase und oft von Schmerz und Wut, zum Beispiel gegen die Verursacher, begleitet. Die Gefühle beherrschen den Betroffenen noch, obwohl er rational längst verstanden hat, was geschehen ist. Es sollte in dieser Phase möglichst nicht zu unüberlegten Handlungen kommen wie z.B. üble Nachrede über den ehemaligen Arbeitgeber.
Familie und Freunde haben in dieser Zeit die Aufgabe, eine beruhigende Funktion in jeglicher Hinsicht auszuüben. Die aufkommenden Gefühle sollten zugelassen und ernst genommen und vor allem nicht mit Alkohol betäubt werden.
Wesentlich hilfreicher ist es, sich dem Sport zuzuwenden: joggen, Rad fahren, schwimmen hilft den Stress und das Adrenalin abzubauen und mit den Gedanken sich nicht ständig im Kreis zu drehen.
4. Akzeptanz
Die Realität des Scheiterns wird anerkannt und akzeptiert. Der Betroffene beginnt einen Plan B zu entwickeln, nach neuen Lösungen zu suchen. Neue Möglichkeiten tun sich auf, die ihm vermutlich nie eingefallen wären, wenn er sich noch im alten bzw. gewohnten Umfeld bewegen würde. Zudem erkennt er, dass eine Krise nicht das Ende und zu bewältigen ist.
Ein Karriereknick ist eine Gelegenheit sich mit den eigenen Werten und Bedürfnissen einmal intensiv auseinanderzusetzen; das hätte man unter Umständen in Zeiten, in denen alles zur eigenen Zufriedenheit verlief, nicht gemacht.
Man sollte sich einfach immer wieder bewußt machen, dass Krisen zum Leben einfach dazugehören und es in erster Linie entscheidend ist, w i e wir damit umgehen.
Wie rasch jemand wieder auf die Füße kommt, ist natürlich auch eine Frage der Resilienz.
Um für den Fall eines Karriereknicks gerüstet zu sein, empfiehlt es sich über ein gut aufgebautes Netzwerk zu verfügen. Darüberhinaus ist es ratsam immer auf dem neuesten Stand zu sein, d.h. sich kontinuierlich weiterzubilden.
Nicht nur im Beruf, auch in vielen anderen Bereichen ist es möglich zu scheitern, sei es in der Ehe, mit der Familie, den Kindern oder im Sport. Immer dienen diese Prozesse der Weiterentwicklung, das sollte man nie vergessen. Denn aus Fehlern lernt man wesentlich mehr als aus Erfolgen.
Um die Antriebskräfte, die im Scheitern verborgen sind, aktivieren zu können, bedarf es einer ehrlichen und gründlichen Fehleranalyse. Eventuell ist es auch hilfreich, einen Mentor seines Vertrauens zu Rate zu ziehen, da er als Außenstehender eine objektivere Sichtweise hat. Denn wenn alle Fehlerquellen erst einmal identifiziert sind, kann man daran arbeiten, sie zu eliminieren.
Die Bereitschaft sich mit seinen Fehlern aktiv auseinanderzusetzen, wird sich auch positiv auf das nächste Projekt auswirken. Denn entscheidend ist immer die gemachten Fehler nicht zu wiederholen, dann steht einem erfolgreichen neuen Projekt nichts im Wege.
Oft eröffnet sich ja in einer beruflichen Krise ja auch die Möglichkeit, den vielleicht schon lange gehegten Plan einer beruflichen Neuorientierung anzugehen, denn dafür ist es nie zu spät. Wahrscheinlich ist man nie wieder so motiviert, noch einmal neu durchzustarten als nach einem erfolgreich bewältigten Schicksalsschlag.
Im angloamerikanischen Sprachraum war der Begriff des Scheiterns nie so negativ besetzt wie hierzulande. Aber mittlerweile werden auch hier die Chancen höher gewichtet als die Risiken und Eigenschaften wie Kreativität und Innovationsbereitschaft stehen verstärkt im Fokus.
Vielleicht können Sie ja in einigen Jahren feststellen, dass eine Niederlage der Beginn einer erfolgreichen Karriere war!
Wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere; aber wir sehen meist so lange mit Bedauern auf die geschlossene Tür, dass wir die, die sich für uns geöffnet hat, nicht sehen.
Alexander Graham Bell