Digitalisierung und bedingungsloses Grundeinkommen

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Als Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden, hieß es, dass sie von nun an im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdienen sollten. Seit dieser Zeit hat der Begriff der Arbeit und die Beziehung zu dieser Tätigkeit im Laufe der Jahrtausende unzählige Wandlungen erfahren. In der Gegenwart heißt das Schlagwort schließlich Industrie 4.0, die die Arbeitswelt und die Gesellschaft nachhaltig verändert haben. Und in einer digitalisierten Welt wird man nicht mehr durch die physische, schweißtreibende  Anstrengung gefordert, da sind ganz andere Qualitäten und Fähigkeiten gefragt um in dieser Arbeitswelt standzuhalten. Dennoch bestimmt auch heute noch die Arbeit unser Leben und fast in jedem Smalltalk ist eine der zentralen Fragen „Was machen Sie denn so?“ oder „Was arbeiten Sie denn?“ Wir definieren uns im wesentlichen über unseren Beruf, unseren Job, aber das war nicht zu jeder Zeit so: In der griechischen Antike wurden die niederen Arbeiten den Frauen und Sklaven überlassen, die freien Bürger beschäftigten sich mit Politik und Philosophie.

Bis ins Mittelalter hinein war die Arbeit etwas, was erledigt werden musste, ein notweniges Übel um nicht Hunger leiden zu müssen. Viel lieber feierten die Menschen, sangen, spielten und tanzten  – bis zu 100 Feiertage gab es im mittelalterlichen Jahr. Gewinnstreben galt in dieser Zeit als Laster, materieller Wohlstand als Ausdruck sündiger Diesseitigkeit. Ein Adliger konnte Freiheit und Rechte verlieren, wenn er sogenannte niedere Arbeiten verrichtete.

Diese Einstellung zur Arbeit ändert sich radikal durch Martin Luther im 16. Jahrhundert: Jeder sollte seine Arbeit verrichten an dem Ort, an welchen ihn Gott hingestellt hatte. Das schuf zunächst eine gewisse Gleichheit. Und so prägt Luther die Vorstellung von Arbeit bis heute – Arbeit ist Berufung, Müßiggang Sünde. Seit dieser Zeit lebt man um zu arbeiten!

Eine neue Epoche wird durch die Industrialisierung 1.0, die erste industrielle Revolution, in der Mitte des 18. Jahrhunderts eingeläutet. Sie ging von Großbritannien aus und erfasste später ganz Europa. Dampfmaschinen ersetzten in steigendem Maße die menschliche Arbeit.

Mithilfe elektrischer Energie beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts die arbeitsteilige Massenproduktion – Industrie 2.0 – : durch die Fließbandfertigung wird die Produktion in einzelne, spezialisierte Arbeitsschritte unterteilt. Zunächst wird noch von Hand montiert, später werden dann aus Kostengründen immer mehr Prozesse automatisiert .

Der Siegeszug der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV) beginnt Ende der 1970er Jahre – der Computer revolutioniert die Arbeitswelt in vielen Bereichen – Industrie 3.0 -.

Das Kernelement der derzeit laufenden industriellen Revolution 4.0 ist die Verknüpfung von Produkten und Prozessen über das Internet. Intelligente Maschinen und Fertigungsteile tauschen, vergleichbar mit sozialen Netzwerken, untereinander und mit Menschen Informationen aus, um sich selbstständig zu organisieren sowie Abläufe und Termine zu koordinieren.

In einem nie gekannten Tempo verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt, denn viele  Aufgaben, die heute noch von Menschen erledigt werden können, werden morgen bereits Maschinen übernehmen. Feste  Arbeitsplätze und -zeiten verlieren an Bedeutung – eine Entwicklung, die neue Chancen bietet, aber auch Risiken birgt und sowohl Beschäftigte als auch Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen stellt: denn wer mit diesen rasanten Veränderungen mithalten will, muss sich ständig weiterentwickeln und auf die neuen Anforderungen reagieren.

Die Grundlage für diese Entwicklung ist der technologische Fortschritt: Rechner, die immer leistungsfähiger und schneller wurden, immer mehr Daten speichern und für neue Geschäftsmodelle genutzt werden können. Dank mobiler Geräte wie Tablets und Smartphones hat sich die Bandbreite der Datenübertragung vervielfacht, denn sie ermöglichen es von überall auf Informationen zuzugreifen.

Durch die immer stärkere Vernetzung können alle Beteiligten einer Wertschöpfungskette, vom Rohstofflieferanten bis hin zum Endkunden direkt miteinander verbunden sein.Moderne Verfahren wie der 3D-Druck hingegen machen manche herkömmlichen Fertigungsmethoden überflüssig.

In vielen Branchen gehört der „Kollege“ Roboter längst zum Alltag. 2013 lag der Automatisierungsgrad im Karosseriebau schon bei 98%. Mit der Arbeit 4.0 ändert sich auch das Verhältnis Mensch und Maschine, denn die moderne Generation von Robotern ist klein, wendig, reagiert auf ihre Umgebung und ist sogar lernfähig. Sie können, im Gegensatz zu früher, mit dem Menschen Hand in Hand arbeiten. Das ermöglicht neue Einsatzfelder und macht den Menschen an vielen Stellen überflüssig, z.B. da, wo der Roboter ihm körperlich anstrengende oder monotone Arbeiten abnimmt. Der Mensch muß die Produktionsabläufe in steigendem Maße nicht mehr selbst ausführen, sondern nur noch steuern und überwachen.

Und die Digitalisierung hat nicht nur in der Fabrik die Arbeitsabläufe grundlegend verändert, sondern längst alle Branchen erreicht. Denn durch die digitalen Kommunikations- und Informationstechnologien können im Büro beschäftigte Menschen zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten arbeiten, auch im Team oder an einem gemeinsamen Projekt.

Arbeitszeiten und -orte werden flexibler, ein Vorteil einerseits, aber auch eine Gefahr insofern, dass die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit immer mehr verschwimmen und es aufgrund der ständigen Erreichbarkeit kaum noch Ruhephasen gibt.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang unmittelbar aufdrängt ist die, ob die Digitalisierung Arbeitsplätze kostet oder neue schaffen wird. Diese Frage lässt sich heute noch nicht beantworten, aber Experten gehen davon aus, dass es erhebliche Verschiebungen geben wird, mit deren Konsequenzen wir uns auseinandersetzen müssen.

In Bereichen, die eine höhere Qualifikation erfordern, wird es einen steigenden Bedarf an Fachkräften geben, während leichtere Arbeiten wegfallen werden. Die Programmierung und die Überwachung von Maschinen stellen völlig neue Herausforderungen dar.

Arbeit 4.0 bedeutet lebenslanges Lernen, unter Umständen bis ins hohe Alter, da die Arbeit physisch weniger anstrengend ist. Virtuelle Assistenzsysteme wie Datenbrillen können die geistige  Arbeit unterstützen – dadurch können die Menschen länger im Berufsleben stehen.

Wer sich auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft behaupten will, muß die Bereitschaft mitbringen sich ständig weiterzuentwickeln und auf neue Anforderungen einzustellen.

Das bedingungslose Grundeinkommen

Schon seit längerer Zeit ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) weltweit im Gespräch. Von den einen wird es als Utopie abgetan und belächelt, andere sehen es als einzig mögliches Modell in Hinblick auf den massiven Verlust an Arbeitsplätzen, der durch die fortschreitende Digitalisierung verursacht wird. Beim BGE handelt es sich um ein sozialpolitisches Finanztransferkonzept, bei dem jeder Bürger, unabhängig von seiner finanziellen Lage, eine für jeden gleiche vom Staat ausgezahlte finanzielle Zuwendung erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen (Transferleistung).

Die Befürworter des BGE gehen unter anderem davon aus, dass der Mensch ein Entwicklungswesen ist, dass sich, wenn er gesund und mit sich im Reinen ist , ausdrücken und seiner Umwelt mitteilen möchte, in welcher Weise auch immer. Das unterscheidet eben auch den Menschen vom Tier! Wenn die Grundbedürfnisse abgedeckt und gesichert sind, wurden sich für den einzelnen Menschen dann in vielerlei Hinsicht vollkommen neue Möglichkeiten eröffnen. Die Gegner hingegen befürchten, dass unter solchen Umständen niemand mehr arbeiten würde und durch das kollektive Nichtstun vieles zum Stillstand käme.

Nach Götz Werner, dem Gründer von dm und einem der größten Verfechter des BGE, müsste das Grundeinkommen so bemessen sein, dass jeder bescheiden, aber menschenwürdig im Sinne unserer Verfassung leben könnte.

Eine Umfrage auf Facebook hat ein interessantes Ergebnis gebracht, nämlich, dass die befragten Menschen, wenn sie ein Grundeinkommen erhielten, normal weiterarbeiten würden, allerdings manche etwas weniger oder etwas anderes. Lediglich 1,6 % würden gar nichts tun bzw. wußten keine Antwort. Studien, die diese Problematik ausleuchten und widerlegen, gibt es mittlerweile eine ganze Reihe.

Ein Leben ohne unangenehme Arbeit

Richard David Precht, einer der wichtigsten Philosophen unserer Zeit, prognostiziert für die Zukunft ein Leben ohne unangenehme Arbeit. Deshalb findet er die Tatsache, dass die Digitalisierung unsere Arbeitswelt gerade komplett revolutioniert, gar nicht so schlecht. Der Umbruch würde zwar hart werden, aber langfristig würde ein Menschheitstraum wahr werden, da viele Menschen keine unangenehmen Arbeiten mehr ausüben müssten, da diese von Maschinen übernommen werden.

Im Grunde hätten dann sowohl Männer als auch Frauen die Chance ihre Rolle vollkommen neu zu definieren! 

Richard David Precht weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass es nicht notwendig sei, schon den Grundschülern das Programmieren beizubringen. Viel wichtiger sei es, dass die Kinder lernen, auch ohne den Anreiz von Geld, Ziele langfristig zu verfolgen, mit anderen Menschen gut auszukommen, neugierig und nachdenklich zu bleiben, also typisch menschlich zu sein. Das ist nämlich der einzige Bereich, in dem uns die Maschinen keine Konkurrenz machen können und deshalb ist es so wichtig, dass wir uns diese Kompetenz in all ihrer Komplexität bewahren.

Andererseits macht Precht auch auf eine Gefahr noch aufmerksam, über die bisher nur wenig in den Medien diskutiert wurde: die digitalen Medien sind massive Energiefresser.Die Produktion der Bitcoin-Währung verbraucht bereits jetzt fast so viel Energie wie die gesamte dänische Volkswirtschaft. Deshalb müssen wir uns bei jedem technischen Fortschritt fragen, wieviel Strom das eigentlich verbraucht? Denn die Überhitzung der Erde kann letztendlich nicht das Ziel sein.

Wir sehen bzw. ahnen welch komplexes Thema die Digitalisierung für die Menschen bedeutet und welche Konsequenzen sie auch gesellschaftspolitisch nach sich ziehen wird. 

Millionen Jobs werden branchenübergreifend in der Produktion, in der Verwaltung, bei Banken und Versicherungen sowie im Einzelhandel verschwinden – parallel werden zahlreiche neue entstehen.

Allerdings werden die neuen Jobs nicht von denen eingenommen werden, die ihren Job verloren haben.

In Zukunft wird man in der IT-Branche Suchmaschinenoptimierer, Mechatroniker oder Datenanalysten brauchen. Menschen ohne Technologie-Affinität werden es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, ebenso Menschen ohne Qualifikation oder ungenügenden Sprachkenntnissen. Es wird kaum noch Menschen geben, die ihren Job ein Leben lang behalten, vielmehr wird es erforderlich sein, sich ein Leben lang fortzubilden um mithalten zu können.

Aus all diesen Gründen wird es nur eine Frage der Zeit sein, dass das bedingungslose Grundeinkommen kommen wird, da im Zuge der Digitalisierung so viele Jobs wegfallen und verhältnismäßig wenige neue für hochqualifizierte Arbeitskräfte entstehen werden, dass wir vermutlich gar keine andere Möglichkeit haben, als das BGE einzuführen.

Neben Menschen wie Precht oder Götz Werner und vielen anderen, vertreten mittlerweile auch Siemens-Chef Joe Kaeser, Ebay-Gründer Pierre Omidyar, SAP-Vorstand Bernd Leukert oder Tesla-Gründer Elon Musk die Erkenntnis, dass das BGE der Weg in die Zukunft ist. Jetzt müssen nur noch die Eliten in Politik und Wirtschaft überzeugt werden.

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Harriet von Behr
Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.
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